EKG

EKG (Elektrokardiogramm) bei ARVC / ACM

Das EKG ist die erste und einfachste Untersuchung bei Verdacht auf ARVC / ACM. Es zeigt manchmal typische Veränderungen. Ein normales EKG schließt allerdings eine ARVC nicht aus. Mehr dazu können Sie in der Rubrik Diagnosekriterien nachlesen.

Im folgenden finden Sie Informationen zu
> Ableitung des EKG
> typischen EKG-Veränderungen bei ARVC
> Langzeit-EKG
> FAQ zum Thema (Langzeit-) EKG
> Quellen

 

Ableitung des EKG

12-Kanal-Oberflächen-EKG

EKG mit sechs Extremitätenableitungen (I, II, III, aVR, aVL, aVF) und sechs Brustwandableitungen (V1-V6). Die Brustwandableitungen sind bei ARVC besonders wichtig für die Beurteilung, deshalb reicht ein “normales” EKG in der Regel nicht aus.

Signalgemitteltes EKG (engl. signal averaged electrocardiogram, SAECG)

Die Bedeutung des signalgemittelten EKG nimmt ab. Es ist zwar hochauflösend und erkennt besonders gut Spätpotentiale / Epsilonwellen, die typischerweise bei ARVC / ACM auftreten. Früher wurde so das Risiko für Herzrhythmusstörungen abgeschätzt.
Heutzutage gehört das SAECG nicht mehr zu den Routineuntersuchungen bei ARVC, da es oft nicht verfügbar ist und eine geringe Sensitivität und Spezifität aufweist.

 

Typische EKG-Veränderungen bei ARVC / ACM

T-Welleninversion

Die T-Welleninversion oder T-Negativierung kann sogar von medizinischen Laien erkannt werden: statt einer hügelförmigen Welle sieht man eine Senke, also eine “umgekehrte” negative Welle nach der Zacke des QRS-Komplexes. Diese tritt nur bei 1% der Gesunden auf.
Die Ausprägung der negativen T-Welle korreliert mit dem Schweregrad der Vergrößerung und Fehlfunktion der rechten Herzkammer, sagt aber nichts über die Beteiligung der linken Herzkammer aus.

T-Welleninversion als Diagnosekriterium (Repolarisationsstörung)
Major
T-Negativierung in den rechtspräkordialen Ableitungen (V1, V2 und V3) oder darüber hinaus bei Alter > 14 Jahre, ohne kompletten RSB (QRS ≥ 120 ms)

Minor
– T-Negativierung (V1 und V2) bei Alter > 14 Jahre (ohne kompletten RSB) oder T-Negativierung in V4, V5 oder V6
– T-Negativierung (V1-V4) bei Alter > 14 Jahre, mit kompletten RSB


QRS-Komplex

QRS-Komplex verbreitert in V1 bis V3 (> 110 ms).
Der QRS-Komplex ist die typische große EKG-Zacke, die jeder kennt, und kann bei ARVC breiter als gewöhnlich sein.

Eine Niedervoltage im QRS-Komplex in den Extremitätenableitungen (≤ 0,5mV) spricht für eine Beteiligung oder alleinige Betroffenheit der linken Herzkammer. Je mehr Fett und je weniger Herzmuskelgewebe, desto niedriger ist die Amplitude des QRS-Komplexes und desto weiter fortgeschritten der Umbau des Herzens. Niedervoltage / geringe QRS-Amplitude / geringe R-Amplitude bedeutet: ein besonders “niedriger/kleiner” QRS-Komplex ohne die typische hohe Zacke nach oben.
Die Niedervoltage hat noch keinen Eingang in die Diagnosekriterien gefunden, die an der klassischen rechtsbetonten ARVC ausgerichtet sind.


Epsilon-Welle (Epsilon-Potential)

Die Epsilon-Welle (auch Epsilon-Potential) ist eine typische terminale Kerbe am Ende des QRS-Komplexes im aufsteigenden Teil der S-Zacke und tritt meist nur bei fortgeschrittener ARVC auf. Ist ein signalgemitteltes EKG (SAECG) vorhanden, so wird die Epsilonwelle dort gut dargestellt.
Ursache für das Auftreten der Epsilonwelle ist eine verlangsamte Reizleitung innerhalb der Herzkammer.

Epsilonwelle als Diagnosekriterium (Depolarisations- und AV-Überleitungsstörungen im EKG)
Major
Epsilonpotential/-welle (reproduzierbares Signal geringer Amplitude zwischen dem Ende des QRS-Komplexes und dem Beginn der T-Welle) in den rechtspräkordialen Ableitungen (V1-V3)

Minor
– Spätpotentiale im Signalgemittelten EKG bei ≥ 1 von 3 Parametern, wenn QRS-Komplex < 110 ms im Standard-EKG
– gefilterte QRS-Dauer (fQRS) ≥ 114 ms
– Dauer des terminalen QRS < 40 µV (LAS-Dauer) ≥ 38 ms
– quadratischer Mittelwert der terminalen 40 ms ≤ 20 µV
– TAD (terminal activation duration) des QRS-Komplexes ≥ 55 ms gemessen vom Nadir der S-Zacke bis zum Ende des QRS-Komplexes incl. R´, in V1, V2 oder V3, ohne kompletten RSB


S-Zacke

Verzögerter S-Zacken-Aufstrich > 55 ms in V1–V3.
Der verzögerte S-Zackenaufstrich im QRS-Komplex ist Ausdruck der Erregungsleitungsstörung bei ARVC. Ein Winkel von >12,5% gegenüber dem absteigenden Ast der R-Zacke spricht für eine ARVC. Diese EKG-Veränderung hat noch keinen Eingang in die Diagnosekriterien gefunden.


Ventrikuläre Tachykardien (VTs)

Monomorphe ventrikuläre Arrhythmien (VA) bzw. Tachykardien (VT, Kammertachykardien) mit einer Herzfrequenz von >100/min. mit linksschenkelblockartiger Konfiguration sind typisch für ARVC.
Monomorph (das bedeutet gleich aussehend) sind sie meist, wenn sie immer von der gleichen gestörten Stelle in der Reizleitung ausgehen.
Eine anhaltende VT (engl. sustained VT) dauert mindestens 30 sec. lang.
Das Auftreten von VTs spricht für ein höheres Risiko, da sie in Kammerflimmern übergehen können. Deshalb nennt man sie auch maligne (bösartige) Herzrhythmusstörungen.


Ventrikuläre Extrasystolen (VES)

Einteilung nach Morphologie (Aussehen)
– monomorph (gleich aussehende QRS-Komplexe, meist gleicher Erregungsort)
– polymorph (unterschiedlich aussehend, in der Regel unterschiedlicher Erregungsort)

Einteilung nach Regelmäßigkeit
– Bigeminus (Normalaktion – VES – Normalaktion – VES)
– Trigeminus (Normalaktion – 2 VES – Normalaktion – 2 VES)
– Couplet (2 aufeinanderfolgende VES)
– Triplet (3 aufeinanderfolgende VES)
– Salve (mehr als 3 aufeinanderfolgende VES)

Erkennen von VES im EKG
Im EKG erkennt man VES an dem deformierten, verbreiterten QRS-Komplex, der anders aussieht als der normale QRS-Komplex im Sinusrhythmus.

Symptome bei VES
Ventrikuläre Extrasystolen mit kompensierter Pause (das heißt, wenn nach dem vorzeitigen Extraschlag eine Pause bis zu dem nächsten normalen Herzschlag eintritt) werden von Patienten häufig als “Aussetzer” oder “Herzstolpern” beschrieben. Das nennt man auch “Palpitationen”. Wenn man den Puls fühlt, kann es sein, dass man den Extraschlag gar nicht spürt, weil er nicht am Handgelenk ankommt.


Arr
hythmien (Herzrhythmusstörungen wie VT und VES im EKG) als Diagnosekriterium

Major
nicht-anhaltende oder anhaltende ventrikuläre Tachykardie mit LSB-Morphologie und superiorer Achse (negativer oder indeterminierter QRS-Komplex in den Ableitungen II, III und aVF und positiver QRS-Komplex in Ableitung aVL)

Minor
– nicht anhaltende oder anhaltende ventrikuläre Tachykardie aus dem RVOT mit LSB-Konfiguration und inferiorer Achse (positiver QRS-Komplex in den Ableitungen II, III und aVF und negativer QRS-Komplex in Ableitung aVL) oder unbekannter Achse
– > 500 VES (ventrikuläre Extrasystolen) in 24h im Langzeit-EKG

NB: anhaltend ist eine VT definitionsgemäß, wenn sie >30 sec. dauert


Vorhofflimmern

Nach neueren Erkenntnissen kann ACM in ca. 15 – 20% der PatientInnen auch die Vorhöfe befallen und deshalb Vorhofflimmern auslösen.
Vorhofflimmern ist an sich harmlos und (im Gegensatz zum Kammerflimmern) nicht lebensgefährlich. Bei ARVC / ACM kann Vorhofflimmern allerdings bedeuten, dass die Erkrankung sich von der Kammer aus auf die Vorhöfe ausgebreitet hat.
Ein weiteres Problem beim Vorhofflimmern ist die Gefahr eines Schlaganfalls durch Thrombosebildung (Blutgerinnsel) in den Gefäßen, die zum Gehirn führen. Deshalb bekommen PatientInnen mit Vorhofflimmern oft Blutverdünner.
Bei ICD-TrägerInnen kann Vorhofflimmern außerdem zu sogenannten inadäquaten Schocks führen, das heißt zu Schocks, die gar nicht nötig gewesen wären, weil der Defi das harmlose Vorhofflimmern als lebensgefährliches Kammerflimmern fehldeutet.

 

Langzeit-EKG

Ableitung des Langzeit-EKG

Ein Langzeit-EKG ist ein tragbares EKG, das man unter Alltagsbedingungen zuhause trägt, um für einen längeren Zeitraum (meist 24 – 48h) ein EKG aufzuzeichnen. Es wird meist computergestützt ausgewertet. Während des Tragens soll man als Patient*in Notizen zu bestimmten Tätigkeiten machen (z.B. Essen, Schlafengehen, sportliche Betätigung…) und subjektiv empfundene Herzsymptome beschreiben (z.B. Herzklopfen, Herzstolpern, Herzrasen…). Bei der Auswertung kann dann eine Korrelation zwischen Arrhythmien und Tätigkeit / Aktivität hergestellt werden.

Registriert wird
– die niedrigste / mittlere / höchste Herzfrequenz
– die Häufigkeit und Art von Rhythmusstörungen (z.B. ventrikuläre Extrasystolen=VES, ventrikuläre Tachykardien=VT)

 

Auffällige Befunde im Langzeit-EKG bei ARVC / ACM

– > 500 ventrikuläre Extrasystolen (VES) in 24h
– ventrikuläre Tachykardien (VT) mit Linksschenkelblockkonfiguration

 

Frequently asked questions (FAQ) – Häufig gestellte Fragen zum Thema (Langzeit-) EKG

Die Arrhythmien entstehen da, wo normales Herzmuskelgewebe durch Bindegewebe und Fett ersetzt wurde und die Reizleitung an der Stelle gestört ist. Ursprung der Extraschläge ist oft das sogenannte “Dreieck der Dysplasie” zwischen Infundibulum der rechten Herzkammer (rechter Ventrikel = RV), dem RV-Ausflusstrakt und der seitlichen Herzspitze des RV.

In der Notfallmedizin wird als Breitkomplextachykardie ein verbreiterter QRS-Komplex bezeichnet, von dem man nicht weiß, warum er auftritt. In über 80% der Fälle handelt es sich um potentiell lebensbedrohliche ventrikuläre Herzrhythmusstörungen wie sie bei ARVC auftreten können.
Definiert wird eine Breitkomplextachykardie durch
– Herzfrequenz >100/min
– kein Sinusrhythmus (normaler vom Sinusknoten ausgehender Herzrhythmus)
– eine QRS-Dauer > 120 ms
– unbekannte Ursache
Behandelt wird je nach Zustand des Patienten mit Medikamenten, Kardioversion oder einer Defibrillation (Elektroschock).

Das Zio-Pflaster ist ein Langzeit-EKG, das einige ARVC-Patienten aus der “Hope for ARVC" Facebookgruppe kennen. Es ist in Deutschland (noch) nicht zugelassen.
In den USA wird von Patienten das bis zu 14 Tage lang getragene ZIO® Pflaster einem 24h-Langzeit-EKG vorgezogen. In den USA sind die Patienten angeblich begeistert – in Deutschland erprobte ähnliche Pflaster kamen bei den Patienten aber wegen des Klebers und Juckreizes nicht so gut an. Probleme bei dieser Art von Dauer-EKG ist der hohe Anteil an Artefakten bei der Auswertung (d.h. nicht verwertbare bzw. unklare Befunde).
Leider verfügen wir über keinerlei persönlichen Erfahrungsberichte.
Aufgrund der längeren Überwachungszeit von 14 Tagen versus 24 Stunden werden laut einer amerikanischen Studie mehr verdächtige Ereignisse aufgezeichnet als beim Langzeit-EKG.
Das ZIO® XT Pflaster ist nicht-invasiv, wasserabweisend, hat keine Kabel und Leitungen und nicht so auffällig wie ein Langzeit-EKG. Das ZIO® XT Patch zeichnet Herzschläge bis zu 14 Tage lang kontinuierlich auf – auch im Schlaf, unter der Dusche und bei moderatem Training – und verfügt über eine große Taste, mit der Patienten symptomatische Ereignisse erfassen können.
Ein Nachteil ist, dass es nur ein eindimensionales EKG aufzeichnet, was bei bereits an ARVC Erkrankten nicht so aussagekräftig ist wie ein Langzeit-EKG mit mehreren Ableitungen.
Außerdem erfolgt in Deutschland bisher auch bei ähnlichen Geräten keine Kostenübernahme durch die Krankenkassen, da die Filterung des 2-Wochen-EKGs der Firma sehr teuer ist.

 

Quellen

2019 HRS expert consensus statement on evaluation, risk stratification, and management of arrhythmogenic cardiomyopathy
Towbin J.A., McKenna, W.J., Abrams, D.J. et al. in: Heart Rhythm Volume 16, ISSUE 11, e301-e372, November 01, 2019

Electrocardiographic differentiation between ‘benign T-wave inversion’ and arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy
Finocchiaro, G., Papadakis, M., Dhutia, H. et al. in: EP Europace, Volume 21, Issue 2, February 2019, Pages 332–338

The S-wave angle identifies arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy in patients with electrocardiographically concealed disease phenotype
Cortez D., Svensson A., Carlson J. et al. in: J Electrocardiol. 2018 Nov-Dec;51(6):1003-1008

High interobserver variability in the assessment of epsilon waves: Implications for diagnosis of arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy/dysplasia
Platonov, P., Calkins, H., Hauer, R.N. et al. in: Heart Rhythm Volume 13, Issue 1, January 2016, Pages 208-216

Familial Evaluation in Arrhythmogenic Right Ventricular Cardiomyopathy – Impact of Genetics and Revised Task Force Criteria
Quarta, G., Muir, A., Pantazis, A. et al. in: Circulation. 2011;123:2701–2709


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