Kinder / Jugendliche

Kinder und Jugendliche mit ARVC / ACM

Im Folgenden finden Sie (über den medizinischen Teil hinaus) Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen. Eltern von Kindern mit ARVC oder einer ARVC-Mutation stehen immer vor dem Dilemma, zwischen maximalem Schutz des Kinds (Was ist medizinisch noch vertretbar?) und dem Erhalt der Lebensqualität (Was will mein Kind? Was braucht mein Kind?) eine Balance zu finden.

Grundsätzlich ist zu unterscheiden:
– das Kind ist selbst von ARVC betroffen (und hat bereits Symptome)
– das Kind ist Mutationsträger einer ARVC auslösenden Genmutation (weil die Eltern es testen ließen)
– ein Elternteil des Kinds ist diagnostizierter ARVC-Patient mit oder ohne Genmutation
– ein Elternteil des Kinds ist symptomloser Genmutationsträger

Lesen Sie hier zu
> Besonderheiten bei der Diagnose von Kindern
> Wie spreche ich mit meinem Kind über die Erkrankung?
> FAQ (häufig gestellte Fragen) zum Thema Kinder und Jugendliche, insbesondere
> FAQ Diagnose
> FAQ Betreuung und Follow-Up
> FAQ Therapie
> FAQ Psyche
> FAQ Verlauf
> FAQ Lifestyle und Sport
> FAQ zu sonstigen Themen
> Vortrag “ARVC bei Kindern und jungen Erwachsenen”
> Weitere Informationen des BVHK e.V. zu Kindern und Jugendlichen
> Quellenangaben zum Thema Kinder und Jugendliche

Weitere Tipps finden Sie auf unserer Webseite unter der Rubrik Schule.

 

Besonderheiten bei der Diagnose

Im Prinzip werden auch Kinder nach den derzeit gültigen Task-Force-Kriterien von 2010 diagnostiziert. Kinderkardiologische Leitlinien, die speziell auf Besonderheiten bei Kindern ausgerichtet sind, existieren derzeit nicht.

Eine deutsche Studie aus Göttingen aus dem Jahr 2018 betont, dass bei Kindern folgende diagnostische Maßnahmen wichtig sind:
– 12-Kanal-EKG
– Langzeit-EKG (24-48h-EKG)
– Echokardiographie (Ultraschall des Herzens)
– MRT (Magnetresonanztomographie)


EKG

Eine Studie aus Japan (allerdings mit wenig aussagekräftigen kleinen Fallzahlen) aus dem Jahr 2021 stellt folgende EKG-Kriterien als wichtig heraus für die Früherkennung
– Belastungs-EKG: provozierte ventrikuläre Extrasystolen (VES) unter Belastung
– Langzeit-EKG: pleomorphe (unterschiedlich aussehende) VES
– EKG: neue eingekerbte S-Welle in der Brustwandableitung V1, verlängerte TAD (terminale Aktivierungsdauer)


Genetik

Ein Familienscreening auf bekannte familiäre Genvarianten ist bei Kindern sind aufgrund der komplexen medizinischen, rechtlichen und psychologischen Fragen umstritten. Die Tests werden oft bis zu einem Alter aufgeschoben, in dem ein Symptomauftreten wahrscheinlicher wird. Abgewichen davon kann werden, wenn aufgrund der Familiengeschichte oder bestimmten Genmutationen ein höheres Risiko vom Arzt vermutet wird. In vielen Kliniken oder Genlaboren wird auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern eine Untersuchung des Kinds auch zu einem frühen Zeitpunkt durchgeführt. Besonders ratsam ist ein frühzeitiger Gentest in sportlichen Familien, wenn eine Anmeldung des Kinds in einem Sportverein erfolgen soll, bei dem Leistungssport angestrebt wird.
Genetische Tests sollten immer vom besten Interesse des Kindes geleitet sein und von einem multidisziplinären Team durchgeführt werden mit spezialisierten Kardiologen, Genetikern und Psychologen mit Fachkenntnissen in genetischer Beratung, Varianteninterpretation und Krankheitsmanagement. Dies ist allerdings ein Idealfall und nicht überall verfügbar.

Lesen Sie zu dem Thema auch in unserem Genetikteil
> Vor- und Nachteile der genetischen Testung
> Besonderheiten der Testung von Kindern

 

Wie spreche ich mit meinem Kind über die Erkrankung?

Viele Eltern wissen nicht genau, wie sie mit ihrem Kind über die Erkrankung sprechen sollen, egal ob ein Elternteil betroffen ist, das Kind selbst Mutationsträger ist oder vielleicht schon erste Erkrankungszeichen zeigt, oder sich vielleicht sogar ein dramatisches Ereignis oder ein Todesfall in der Kernfamilie oder der Verwandtschaft ereignet hat.
Wir haben zu diesem Thema einen kleinen Leitfaden zusammengestellt, basierend auf dem Vortrag „How to talk to kids” von Dr. Shannon Hourigan, klinischer Kinderpsychologin im Programm für ererbte kardiale Arrhythmien an der Kinderklinik Boston im Mai 2021 beim ARVC Patient and Family Seminar des amerikanischen Johns-Hopkins-Instituts.
Lesen Sie hier eine übersetzte Mitschrift des Vortrags.

 

Frequently asked questions (FAQ) – Häufig gestellte Fragen zum Thema Kinder/Jugendliche

1. Fragen zur Diagnose

Fragen zum EKG

Wenn anstatt des für ARVC typischen kompletten Linksschenkelblocks bei einem Mutationsträger ein kompletter Rechtsschenkelblock vorliegt, hat das irgendwelche Auswirkungen?
Ein Linksschenkelblock ist im Kindesalter sehr ungewöhnlich und nicht für die ARVC typisch.

Ist ein Langzeit-EKG bei Kindern sinnvoll?
Ja, unbedingt. Es gibt dazu eigentlich derzeit keine Alternativen. Ein Langzeit-EKG ist allerdings nur möglich, wenn das Kind mitmacht – was sich im Einzelfall schwierig gestalten kann.

 

Fragen zum Eventrecorder

Werden Eventrekorder zur Rhythmusdiagnostik eingesetzt?
Ein Eventrecorder ist sinnvoll bei verschiedenen Erkrankungen, insbesondere wenn durch Untersuchungen Symptome nicht abgeklärt werden können (z.B. bei unklaren Synkopen / Bewusstseinsverlust). Wenn ACM / ARVC bereits diagnostiziert ist und/oder eine Mutation vorliegt, ist der Eventrecorder weniger sinnvoll, oft ist dann eher die Indikation für einen ICD gegeben. Außerdem wird die Implantation eines Eventrecorders oft nicht von der Krankenkasse übernommen.

Welche Diagnosen haben Patienten dann häufig bei Synkopen, wenn es nicht ARVC ist?
Differentialdiagnosen umfassen: Ionenkanalerkrankungen, andere Formen der Kardiomyopathien, Kreislaufdysregulation, zerebrale Krampfleiden wie Epilepsie. Manchmal ist es aber auch einfach eine Kreislaufregulationsstörung in der Pubertät. Bei bekannten Mutationen in der Familie muss man aber eine Synkope sehr ernst nehmen.

 

Fragen zur Bildgebung (MRT – Magnetresonanztomographie, PET-CT, PET-MRT)

Wann macht man bei Kindern das erste MRT?
Ab dem 10. – 14. Lebensjahr tolerieren Kinder in der Regel das lange Liegen in der Röhre mit den lauten Geräuschen und können Atemanweisungen befolgen (z.B. Luft anhalten). Da ARVC bei Kindern sehr selten vor dem 10. Lebensjahr ausbricht, reicht diese Altersgrenze in der Regel aus. Abhängig ist der Zeitpunkt des ersten MRTs von Reife, Stillhaltevermögen und Ängstlichkeit des Kindes, also sehr individuell.
Bei bereits bestehenden Symptomen kann die Diagnostik früher notwendig werden. Dann macht man das MRT in Sedierung/Narkose, wobei die Kinder dann nicht mitarbeiten können und die Bilder so weniger aussagekräftig sind.

Gibt es in Deutschland Übungsprogramme, um ein Kind an das MRT zu gewöhnen (statt Sedierung)?
Nein, die Konzepte, die es in den USA gibt, sind in Deutschland nicht üblich. In USA gibt es “Übungsröhren”, in die die Kinder sich legen können, eine Geräuschesimulation und ein Training mit nurses, die mit dem Kind und deren Kuscheltieren die Situation einüben. Leider gibt es solche Konzepte in Deutschland nicht.
Eltern können allerdings durchaus selbst kreativ werden, um ihre Kinder auf ein MRT vorzubereiten: basteln Sie eine Röhre, in die sich das Kind legt; legen Sie erst das Kuscheltier hinein; lassen Sie das Kind das Liegen in der Röhre spielerisch ausprobieren; üben Sie Kommandos (“Halt mal die Luft an!”)…Erzählen Sie dem Kind, dass man in ähnlichen Röhren zum Mond fliegen kann und machen Sie ein Abenteuer daraus…Oder lassen Sie sich selbst eine spannende Geschichte dazu einfallen.
Neuerdings gibt es allerdings für Kinder eine App, den Pingunautentrainer, um Kinder auf ein MRT vorzubereiten. Sie wurde von der Uniklinik Essen entwickelt.

Was bedeutet late Enhancement im Zusammenhang mit der Erkrankung?
Nach Kontrastmittelgabe beim MRT kann eine späte Kontrastmittelanreicherung (sogenanntes „late gadolinium enhancement“ – LGE oder „late enhancement“) in einem sehr frühen Erkrankungsstadium Veränderungen am Herzmuskel zeigen.

Wie hält man es bei Kindern mit dem Kontrastmittel?
Auch bei Kindern wird Gadolinium als Kontrastmittel verwendet, um durch eine Kontrastmittelanreicherung (s.o.) möglichst früh Veränderungen am Herzmuskel feststellen zu können. Die Kontrastmittelgabe wird als unproblematisch angesehen.

Werden MRTs auch bei Säuglingen und Kleinkindern eingesetzt?
Je nach Fragestellung kann ein MRT auch bei Neugeborenen/Säuglingen eingesetzt werden, dann mit Sedierung bzw. Narkose. Wegen des Krankheitsausbruchs bei ARVC, der extrem selten vor dem 10. LJ einsetzt, ist das aber bei ARVC extrem selten.

An manchen Kliniken wird bei Erwachsenen auch ein PET-MRT oder PET-CT durchgeführt. Wird dies auch bei Kindern eingesetzt?
Nein. Das gehört nicht zur Routinediagnostik von ARVC, sondern eher zur Abgrenzung von anderen Erkrankungen wie Myokarditis (Herzmuskelentzündung).

 

Fragen zur Genetik

Ab wann können oder sollen Kinder von Mutationsträgern genetisch untersucht werden?
Das wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Auf alle Fälle ist das ab einem Alter von 10-12 Jahren sinnvoll, wenn in der Familie eine ACM-/ARVC-Mutation bekannt ist oder in jedem Alter, wenn bei dem Kind Symptome vorliegen. Manche Kinderärzte oder Genetiker untersuchen auf Wunsch auch jüngere Kinder (manche ab ca. 3 Jahren, manche auch im Säuglingsalter). Entscheidend ist eine enge Absprache mit den Eltern und ein Abwägen von Vor- und Nachteilen einer so frühen Testung (s. dazu auch Für und Wider einer genetischen Testung im Genetikteil der Homepage). In jedem Fall sollte eine Testung erfolgen, bevor man ein Kind in einem Sportverein anmelden möchte wegen der negativen Auswirkungen von hochintensivem Sport und Leistungssport auf die Erkrankung.

Gibt es Unterschiede zwischen den bekannten Genvariationen in Bezug auf einen frühen, schweren Ausbruch der Krankheit?
Mehrfachmutationen können unter Umständen zu einem schwereren Krankheitsverlauf führen. Auch bei bestimmten einzelnen Genvarianten sind schwerere Verläufe bekannt. Das kann aber im Einzelfall vom Durchschnitt sehr abweichen, so dass keine allgemeingültigen Empfehlungen bei einer bestimmten Genmutation gegeben werden können.

Sollten andere Empfehlungen gelten für Patienten mit zwei pathogenen (krankheitsauslösenden) Genvarianten?
Bei zwei Mutationen ist die Wahrscheinlichkeit eines schwereren Verlaufs höher, daher wird in diesem Fall etwas häufiger zur Implantation eines ICD geraten. Die Entscheidung sollte aber immer individuell, je nach Familiengeschichte, von einem erfahrenen Arzt getroffen werden.

Wenn die Erkrankung in der Familie vorwiegend linksventrikulär auftrat, ist dann davon auszugehen, dass sich dies bei einem Kind mit der gleichen Mutation ähnlich manifestiert?
Hierzu liegen noch keine ausreichenden Informationen vor. Die Wahrscheinlichkeit ist sicherlich hoch.

Was bedeutet “vererbte ARVC”? Ist damit das Vorliegen einer entsprechenden Mutation gemeint oder sind dafür noch andere Faktoren nötig?
Das Vorliegen einer Mutation.

 

Fragen zu Provokationstests

Welchen Wert hat ein Katecholamin-Provokationstests (nicht-invasiv, eine Art medikamentöses Belastungs-EKG) in der Diagnostik und welche Risiken gibt es?
Der Test hilft tatsächlich, wenn ventrikulären Arrhythmien auftreten. Es besteht das Risiko des Auftretens von lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen.

 

2. Fragen zur Betreuung/zum Follow-up von Kindern und Jugendlichen

Bei Kindern, die symptomfrei sind, aber selbst Mutationsträger eines ARVC verursachenden Gens:  welche Untersuchungen, ab welchem Alter, wie oft?
Wie oft und ab welchem Alter die Untersuchungen gemacht werden sollten, hängt von der Familiengeschichte, der Mutation und der Einschätzung des behandelnden Arztes ab und wird individuell festgelegt. Als Richtschnur kann gelten:
– spätestens ab ca. 10 – 12 Jahren
– Untersuchung alle 1 – 2 Jahre
– EKG und Echo alle 1 – 2 Jahre
– Langzeit-EKG und Belastungs-EKG alle 1 – 2 Jahre, sobald es von den Kindern toleriert wird
– MRT alle 2 – 5 Jahre (nicht jedes Mal), ca. ab dem (10.)12. – 14. Lebensjahr (s.a. FAQ zum MRT)
Natürlich kann die Untersuchungsfrequenz auch angepasst werden an die Bedürfnisse der Eltern, je nach Besorgnis. Es spricht durchaus etwas dafür, die Untersuchungen früher als mit 10 Jahren zu beginnen und regelmäßig zu machen, etwa wie den jährlichen Besuch beim Zahnarzt, so dass es für das Kind etwas völlig Selbstverständliches und nicht Angstbesetztes wird. Andere Eltern bevorzugen so wenige Untersuchungen wie möglich. Das ist eine Frage der Absprache und des Vertrauens zwischen Arzt/Ärztin und Eltern.
Ab der Pubertät sollte in jedem Fall engmaschiger kontrolliert werden, da in dieser zeit das Risiko für einen Ausbruch der Erkrankung steigt.

Bei symptomfreien Kindern eines ARVC-Mutationsträgers oder eines diagnostizierten ARVC-Patienten bei unbekanntem Genstatus des Kindes: welche Untersuchungen, ab welchem Alter, wie oft?
Gleiches Vorgehen wie bei symptomlosen Mutationsträgern (s.o.)

Bei Kindern eines ARVC-Patienten und unbekanntem Genstatus des Kindes: ab welchem Alter sind welche Untersuchungen notwendig? Wie oft?
Gleiches Vorgehen wie bei symptomlosen Mutationsträgern (s.o.)

Bei Kindern, die bereits Symptome haben (als Mutationsträger eines ARVC verursachenden Gens oder Kind eines ARVC-Patienten):  welche Untersuchungen, ab welchem Alter, wie oft?
– ab Auftreten der Symptome
– Untersuchung alle 3 – 12 Monate (abhängig vom Schweregrad der Symptome)
– EKG, Langzeit-EKG, Belastungs-EKG, Echo alle 3 – 12 Monate
– MRT alle 1 -2 Jahre

Wie kann man das Kind zur Kooperation bewegen?
Dafür gibt es leider kein Universalrezept. Die Kooperation des Kindes muss in guter Zusammenarbeit von Kinderkardiolog*in und Eltern ganz individuell versucht werden. Hilfreich kann eventuell sein, die erste (oder jede) Untersuchung mit einem Event zu verbinden, so dass die Untersuchung beim Kind positiv besetzt ist. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt: ein Besuch im Zoo, Kino, Theater, ein besonderer Ausflug…

Welche Vorteile gibt es, Kinder in der Kinderkardiologie vorzustellen, da sich ja auch die „normalen“ ARVC-Spezialisten mit Besonderheiten wie der Epsilon-Welle auskennen?
Dies ist die Entscheidung der Eltern. Kinderkardiologen plädieren dafür, dass die Kinder von einem spezialisierten Kinderkardiologen betreut werden. In Fällen, wo mehrere Familienmitglieder von einem (Erwachsenen-)Kardiolog*innen betreut werden, kann es sinnvoll sein, dass dieser das Kind mitbetreut. Allerdings steht dagegen häufig die Vorschrift in Kliniken bzw. die fehlende Abrechnungsmöglichkeit, so dass Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre bei der/m Kinderkardiolog*in und Erwachsene ab 18 Jahre bei einer/m Kardiolog*in betreut werden “müssen”. Versuchen Sie ggf., im Einzelfall individuelle Abmachungen zu treffen.

 

 

3. Fragen zur Therapie von Kindern und Jugendlichen

Fragen zu Medikamenten

Werden auch Mutationsträger ohne Symptome mit Betablockern behandelt?
In manchen Kliniken werden bei jungen ARVC-Patient*innen Betablocker prophylaktisch eingesetzt, um adrenalinbedingte Herzfrequenzspitzen abzufangen und Belastungen des Herzmuskels zu vermeiden. Das ist aber kein Standardvorgehen

Gibt es Erfahrungen zur Magnesiumsubstitution bei Kindern als präventive Maßnahme? Ist Magnesium/Kalium therapiefördernd?
Bei normaler Ernährung bekommt man in der Regel ausreichend Magnesium und Kalium. Prophylaktisch wird Magnesium und Kalium eher nicht eingesetzt, kann aber bei bereits bestehenden Herzrhythmusstörungen durchaus hilfreich sein. Magnesium- und Kaliumgabe wird bei beginnender Herzinsuffizienz empfohlen.

 

Fragen zum ICD

Gibt es Fälle bei Mutationsträger-Kinder, bei denen prophylaktisch ein Defi implantiert wurde, sozusagen als Vorsichtsmaßnahme, ohne dass es zuvor pathologische Befunde auf die Erkrankung gab?
Ja, zwar extrem selten, aber evtl. bei entsprechender Familiengeschichte. Es ist aber keine generelle Aussage möglich. Die Entscheidung dazu sollte unbedingt von einer/m erfahrenen Ärztin/Arzt gestellt werden.

Wird bei Kindern bevorzugt ein S-ICD eingesetzt?
Das wird unterschiedlich gehandhabt. In manchen Kliniken wird der S-ICD zurückhaltend eingesetzt wegen der Fehlschockrate von 3-5% und der fehlenden Schrittmacherfunktion. In anderen Kliniken wird der S-ICD bei jungen Patient*innen bevorzugt eingesetzt, da die Sonden weniger anfällig sind und der Sondenwechsel unkomplizierter ist, da die Sonde nicht ins Herz geht.

 

4. Fragen zur Psyche

Wie geht man mit der psychischen Belastung durch die (mögliche) Erkrankung bei Kindern/Jugendlichen um?
Wichtig ist, dass die ganze Familie von einem Arzt über längere Zeit betreut wird und kein ständiger Wechsel erfolgt (feste/r Ansprechpartner*in/ „ein Gesicht“). Eine gute Zusammenarbeit zwischen Eltern und Ärzt*innen ist sehr wichtig, und ggf. kann ein geschulter Psychologe hinzugezogen werden, wenn psychische Belastungen auftreten.

Werden Kinder und Familien bei der Diagnosestellung auch psychologisch betreut?
Die Einbindung von Psychologen ist in der Kinderheilkunde eher Standard als bei Erwachsenen. Im stationären Bereich wird insbesondere bei dramatischen Ereignissen (z.B. überlebter plötzlicher Herztod) oft ein Psychologe hinzugezogen.  deutlich verbreiterter als bei Erwachsenen. Im ambulanten Bereich findet das Angebot einer psychologischen Betreuung in Deutschland kaum statt.

 

 5. Fragen zum Verlauf

Ab welchem Alter tritt ARVC bei Kindern auf?
Normalerweise nicht vor dem 10.-12. Lebensjahr. Allerdings sind Einzelfälle in der Fachliteratur beschrieben worden, wo ARVC bei jüngeren Kindern auftritt. Sorgfältig abgeklärt werden sollten in jedem Fall Synkopen (Ohnmachtsanfälle) bei Kindern.

Wie hoch ist die Lebenserwartung bei Kindern, die bereits an ARVC erkrankt sind?
Wenn die Krankheit schon früh auftritt und die Patient*innen elektrisch stabil sind, bleibt die Situation oft jahrelang stabil. Bei früh symptomatischen Kindern kann die Erkrankung ungefähr ab dem 14. Lebensjahr schneller fortschreiten, muss es aber nicht. Der weitere Weg hängt vom individuellen Lebensstil und vielen zum Teil (noch) unbekannten Faktoren ab. Belastbare Zahlen zu längeren Verläufen fehlen leider bisher.

 

 6. Fragen zu Lifestyle und Sport

Was wird bzgl. Schulsport (speziell Leichtathletik und Mannschaftssport) und intensiverem Freizeitsport bei klinisch unauffälligen Kindern und Jugendlichen empfohlen?
Kinder mit ARVC-Diagnose und Symptomen sollten nach Meinung einiger Experten vom Schulsport befreit werden – andere sehen das etwas lockerer. Wenn Schulsport betrieben wird, sollten Lehrer und Schulleitung über die Erkrankung in der Familie Bescheid wissen. Auf keinen Fall darf das Kind zu Hochleistungen angetrieben werden. Noten sollten ggf. nur auf Technik, nicht auf Leistung vergeben werden, oder es sollten die Sportleistungen nicht gewertet werden.
Freizeitsport ist nur sehr eingeschränkt möglich und muss individuell betrachtet werden. Auf alle Fälle strikt zu meiden sind Leistungssport und hochintensiver Sport.

Es gibt die neueste Empfehlung der europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) von 2020, dass Mutationsträger auch strengere Vorsichtsnahmen zur körperlichen Belastung einhalten sollten. Gilt das auch für Kinder?
Auch kindliche Mutationsträger sollten keinesfalls Leistungs- und hochintensiven Sport betreiben.

Wie können speziell Jugendliche lernen, das richtige Maß an Sport zu finden?
Mehr als Sportverbote vonseiten der Eltern kann ggf. ein Gespräch des behandelnden Arztes mit dem/r Jugendlichen allein helfen, um ihm die langfristigen Auswirkungen klarzumachen. Das setzt allerdings ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt/Ärztin und Jugendlichem/r voraus.
Zusätzliche Probleme bei Jugendlichen ergeben sich durch
– das Nicht-Bemerken von Rhythmusstörungen
– ein Gefühl der Unsterblichkeit
– die Gruppendynamik in Schule und Freizeitsport
– das Gefühl des Ausgegrenztseins/Außenseitertums wegen der Einschränkungen/Verbote
Jugendliche sollten eher unter der subjektiv gefühlten Grenze bleiben. Das eigene Körpergefühl sollte ggf. in einem verantwortungsvollen Training erlernt werden (was allerdings in der Realität schwierig zu finden sein wird). Manche Jugendliche verzichten dann typabhängig lieber ganz auf Sport in der Gruppe, um dort nicht als Außenseiter zu gelten.

Ist nur körperliche Belastung ein Risikofaktor oder auch andere Arten von Stress (z.B. Lampenfieber)?
Was ist mit Disco, Drogen, Alkohol oder Adrenalin-triggernden Videospielen bei Jugendlichen?
Herzrhythmusstörungen sind stressassoziiert, deswegen sollten adrenalinträchtige Situationen möglichst vermieden werden. Bei einer ARVC-Diagnose werden in manchen Kliniken vorsorglich Betablocker gegeben, um Stress abzufangen. Manche Kliniken lehnen prophylaktische Medikamentengaben ab.

 

7. Fragen zu sonstigen Themen

Welche Maßnahmen sind für genpositive Kinder, die keine Beschwerden aufweisen, zu empfehlen?
– Kein Leistungssport, da früherer Ausbruch der Erkrankung und Verlauf schwerwiegender)
– grundsätzlich dürfen die Kinder (bis auf das Sportverbot) ein normales Leben führen
– regelmäßige kardiologische Untersuchungen sind notwendig (s. FAQ Follow-Up)

Macht für Eltern mit ARVC-Kind ein AED (Automatischen Externen Defibrillatoren) im Handtaschenformat für zuhause, unterwegs, in der Schule, beim Sport Sinn?
Für alle Beteiligten bedeutet das eine hohe psychische Belastung. Wenn ein hohes Risiko für bösartige Herzrhythmusstörungen beim Kind vorliegt, dann liegt eine Indikation für einen implantierten ICD vor. Das Mitführen eines externen AED würde außerdem eine permanente Überwachung des Kindes voraussetzen. Es gibt keine Garantie, dass man genau in der Situation, in der bei einem Kind ein Notfall eintritt, dann den AED greifbar hat. Andererseits kann es in Übergangszeiten, z.B. bis zur Diagnosesicherung oder bis zur ICD-Implantation ein Gefühl der Sicherheit geben. Im Zweifelsfall müssen das die Eltern entscheiden, ob sie für sich den Aufwand und die Investition gerechtfertigt finden. Wenn es ein Gefühl der Sicherheit gibt und nicht zu noch mehr psychischem Stress führt, dann ist eine Anschaffung gerechtfertigt. Allerdings muss das Gerät dann regelmäßig gewartet werden. Für ein symptomfreies Kind, das lediglich Mutationsträger ist, scheint der Aufwand sehr hoch.

Thema spätere Berufswahl: Ist nur klassische körperliche Belastung ein Kriterium oder auch andere Arten von Stress (z.B. Lampenfieber…)?
Dies ist individuell zu entscheiden. Schwere körperliche Arbeit soll nicht verrichtet werden. Da Herzrhythmusstörungen stressassoziiert sind, sollten adrenalinträchtigen Situationen vermieden werden.

 

Vortrag

Am 11.01.2021 hielt Prof. Thomas Paul aus Göttingen für uns online einen Vortrag zum Thema “ARVC bei Kindern und Jugendlichen”

Mehr zum Vortrag (Einladung, Programm, Infos zum Referenten, Vortragsfolien) finden Sie auf unserer Veranstaltungsseite.

 

Informationen des Bundesverbands Herzkranke Kinder

Seit März 2021 sind wir Mitglied im Bundesverband Herzkranke Kinder e.V. (BVHK).
Auf deren Website finden Sie viel wertvolle Hinweise und Broschüren zu Herzrhythmusstörungen im Kindesalter, zu Kardiomyopathien, zu Herzkatheterunteruchungen und zur Herztransplantation für Kinder und Jugendliche, außerdem nützliche Tipps für den Besuch von Kindergarten und Schule.
Es gibt dort außerdem eine Sozialrechts-Hotline, eine Rechtsberatung für Familien, eine Peerberatung für herzkranke Kinder und Jugendliche (allerdings eher fokussiert auf Kinder mit angeborenen Herzfehlern), Mutmach-Pakete für Kinder (z.B. wenn eine OP ansteht) und Filme zur OP-Vorbereitung.

 

Quellenangaben

Viele Artikel zu ARVC / ACM bei Kindern und Jugendlichen – nicht nur die unten aufgeführten – finden Sie in unserer Artikelliste zum Download
> Mehr Artikel zum Thema Kind/Pädiatrie
> Artikel zu Diagnose, Diagnosekriterien, Differentialdiagnose und Risikostratifizierung

ARVC bei Kindern und jungen Erwachsenen
Paul, Th.: Online-Vortrag für die ARVC-Selbsthilfe (11.01.2021)
https://www.youtube.com/watch?v=hCLbPNqPM8o

Electrocardiographic features of arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy in school-aged children
Fujino, M., Miyazaki, A., Furukawa, O. et al. in: Heart Vessels (2021)
https://doi.org/10.1007/s00380-020-01754-2

2019 HRS expert consensus statement on evaluation, risk stratification, and management of arrhythmogenic cardiomyopathy
Towbin J.A., McKenna, W.J., Abrams, D.J. et al. in: Heart Rhythm Volume 16, ISSUE 11, e301-e372, November 01, 2019
https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2019.05.007

Diagnosing ARVC in Pediatric Patients Applying the Revised Task Force Criteria: Importance of Imaging, 12-Lead ECG, and Genetics
Steinmetz, M., Krause, U., Lauerer, P. et al. in: Pediatric Cardiology 39(6):1-9, August 2018
https://link.springer.com/article/10.1007/s00246-018-1875-y

Diagnosis of Arrhythmogenic Right Ventricular Cardiomyopathy/Dysplasia – Proposed Modification of the Task Force Criteria
Marcus, F.I., McKenna, W.J., Sherrill, D. et al. in: Circulation. 2010;121:1533–1541
https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.108.840827