Differentialdiagnose

Differentialdiagnose von ARVC / ACM

Es ist oft nicht ganz einfach, ARVC von anderen Herzerkrankungen abzugrenzen. Einige Differentialdiagnosen sind näher erläutert (s. Links). Quellenangaben dazu sind ganz unten angeführt.

Mögliche Differentialdiagnosen sind:
– Idiopathische rechtsventrikuläre Ausflusstrakttachykardie
Myokarditis (Herzmuskelentzündung)
– Chagas Krankheit (Infektion durch Parasit Trypanosoma cruzi nach Biss von Raubwanzen)
– Sarkoidose
– Amyloidose
– Angeborener Herzfehler
– Angeborener Morbus Uhl (angeborener hypoplastischer rechter Ventrikel)
– Sportlerherz
– Zustand nach Rechtsherzinfarkt
– Cor pulmonale
DCM (Dilatative Kardiomyopathie)
– Ionenkanalerkrankungen (Long-QT-Syndrom, Brugada-Syndrom, CPVT = katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie)

Überlappungen mit anderen Erkrankungen des Herzens sind möglich, z.B. mit
– DCM (dilatative Kardiomyopathie)
– HCM (hypertrophe Kardiomyopathie)
– RCM (restriktive Kardiomyopathie)
– LVNC (Linksventrikuläre Non-compaction Kardiomyopathie)
– Morbus Fabry (Speicherkrankheit)
– Brugada-Syndrom

Möglichkeiten der Fehldiagnose sind gegeben durch
– Fehlinterpretation des EKG
– Fehlinterpretation des MRT
– Fehlinterpretation der Genetik
– Sarkoidose, die eine ARVC imitiert
– inkomplette diagnostische Aufarbeitung

 

Differentialdiagnose Myokarditis

Mitunter schwierig ist die Abgrenzung einer ACM von einer Herzmuskelentzündung oder Myokarditis, besonders, wenn es sich um die linksbetonten (ALVC) und beidseitigen Formen einer ACM (z.B. bei DSP-Mutation) handelt, da bei diesen die typischen ARVC-Diagnosekriterien nicht immer greifen. Die Diagnose einer Myokarditis wird gestellt durch Blutuntersuchungen (z.B. Erhöhung des Troponinwerts), MRT (Ödem = Wasseransammlung), Biopsie (Nachweis von Entzündungszellen, später bindegewebige Narben), immunologisch und immunhistochemisch.
Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass das Troponin auch bei ACM erhöht sein kann, wenn man sich gerade in einer sogenannten “hot phase” (heißen Phase) befindet. Ein erhöhtes Troponin bedeutet eigentlich nur, dass Herzmuskelzellen zugrunde gehen. Das kann der Fall sein bei einem Herzinfarkt, einer Herzmuskelentzündung, einem Zytokinsturm (z.B. im Rahmen einer Covid-19-Infektion), auch bei anderen Entzündungen im Körper (z.B. bei einer Pneumonie oder Lungenentzündung) oder aber eben in einer “hot phase” einer ACM.
Besonders wenn ein Virusnachweis der typischen Myokarditis auslösenden Viren (Entero-, Coxsackie-B-, Adeno-, Parvovirus-B19-, Herpes-, Epstein-Barr-, Zytomegalie-, Influenza-, HIV-, Hepatitisviren und neuerdings auch Coronaviren wie SARS-CoV-2) nicht gelingt, sollte an eine ACM gedacht werden.
Auch in der Biopsie finden sich bei ACM nicht selten wie bei der Myokarditis entzündliche Komponenten und bindegewebige Narben.
Ähnlich wie bei der ALVC kann eine durch Myokarditis verursachte Narbe EKG-Veränderungen wie QRS-Komplexe mit geringer Amplitude in den Extremitätenableitungen, T-Wellen-Inversion und ventrikuläre Arrhythmien mit Rechtsschenkelblock hervorrufen. Bei beiden Erkrankungen können diese Narben zu potentiell lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen, vor allem bei jungen Menschen und Sportlern.
Im Echo (Herzultraschall) ist die Myokardnarbe bei ACM und Myokarditis oft nicht nachweisbar.
Das MRT zeigt bei Myokarditis typischerweise ein Ödem, aber auch – wie bei ACM bzw. ALVC – ein sogenanntes Late-Gadolinium-Enhancement (LGE) nach Kontrastmittelgabe, vor allem subepikardial und mittmyokardial (also eher außen am Herz unter dem Herzbeutel und mitten in der Herzmuskulatur).

Deshalb sollte bei unklaren und vor allem wiederholten Fällen von Myokarditis, insbesondere wenn kein Virusnachweis vorliegt, unbedingt folgendes veranlasst werden, um eine ACM nachzuweisen oder auszuschließen:
Ausführliche Familienanamnese
– familiäre Fälle von plötzlichem Herztod oder unklaren Todesfällen, insbesondere bei jüngeren Menschen
– Fälle von Myokarditis in der Familie
– unklare Herzrhythmusstörungen bei Angehörigen
– familiäre Vorgeschichte von Kardiomyopathie unklarer Ursache in der Familie
– ungeklärte Synkopen (vorübergehende Bewusstseinsstörung)
Ausführliche Eigenanamnese des Patienten/der Patientin
– unklare Herzsymptome/Palpitationen (Herzstolpern, Herzrasen, Herzklopfen)
– unklare Herzrhythmusstörungen
– Vorgeschichte von Myokarditis (insbesondere wiederholt und ohne Virusnachweis)
Diagnostische Maßnahmen
– EKG (Suche nach invertierten T-Wellen, Epsilonwellen)
– Langzeit-EKG (Monitoring von Arrhythmien wie ventrikulären Tachykardien, ventrikulären Extrasystolen)
– Belastungs-EKG zum Nachweis belastungsinduzierter Arrhythmien
– Echo (Herzultraschall) mit besonderer Beachtung der LVEF, Suche nach Narben und ausführlicher Begutachtung auch des rechten Ventrikels
– MRT zur besseren Beurteilung der LVEF und RVEF und Nachweis oder Ausschluss eines Late Gadolinium Enhancements (LGE)
– im Zweifelfall ein Gentest zum Nachweis oder Ausschluss von ACM-typischen Mutationen

Erfahrungen der ARVC-Selbsthilfe
Mindestens 10% unserer Mitglieder (und das sind nur diejenigen, von denen wir es wissen) wurden ursprünglich als Myokarditis diagnostiziert. Ob das jeweils eine Myokarditis war, die bei einem Anlageträger für ACM durch das Infektionsgeschehen den Ausbruch der ACM getriggert hat, oder ob es sich um eine sogenannte “hot phase” (heiße Phase) einer ACM gehandelt hat, wissen wir nicht. Was wir aber wissen ist, dass bei vielen dieser Mitglieder bereits eine ausführliche Familien- und Eigenanamnese einen Hinweis auf die Diagnose erbracht hätte. Durch einen Gentest wurde dann in der Mehrzahl der Fälle die endgültige Diagnose ARVC/ACM/ALVC gestellt.
Deswegen sind wir der Meinung, dass bei unklaren bzw. wiederholten Myokarditisfällen ohne Virusnachweis insbesondere bei jungen Menschen ein Gentest auf ACM erfolgen sollte.

 

Differentialdiagnose dilatative Kardiomyopathie (DCM)

Eine Abgrenzung zur DCM ist insbesondere bei den linksbetonten Formen der ACM nicht immer einfach. Eine exakte Diagnosestellung ist insofern wichtig, da bei DCM meist kein so hohes Risiko für Herzrhythmusstörungen besteht, was sehr wichtig für die individuelle Risikoeinschätzung ist.
Die für ACM im EKG typische Niedervoltage (niedrige Amplitude des QRS-Komplexes) in den Extremitätenableitungen, negative T-Wellen in den inferolateralen Ableitungen und ausgeprägte ventrikuläre Arrhythmien sind bei der DCM seltener zu finden.
Im MRT sieht man bei einer schlechten Auswurffraktion der linken Herzkammer (verringerte LVEF) bei beiden Erkrankungen ein Late-Gadolinium-Enhancement (LGE), das Ausdruck des bindegewebigen Umbaus des Herzmuskels ist. Das LGE ist allerdings bei ACM deutlicher ausgeprägt und meist subepikardial lokalisiert. Ein linksventrikuläres LGE ≥20% tritt praktisch nur bei ACM auf.

 

Quellen zur Differentialdiagnose

Arrhythmogenic left ventricular cardiomyopathy
Corrado, D., Basso, C. in: Heart. 2021 Jul 13:heartjnl-2020-316944
https://doi.org/10.1136/heartjnl-2020-316944

‘Hot phase’ clinical presentation in arrhythmogenic cardiomyopathy
Bariani R., Cipriani A., Rizzo S. et al. in: EP Europace, Volume 23, Issue 6, June 2021, Pages 907–917
https://doi.org/10.1093/europace/euaa343

Arrhythmogenic Right Ventricular Cardiomyopathy Presenting as Clinical Myocarditis in Women
Scheel, PJ 3rd, Murray, B., Tichnell, C. et al. in: Am J Cardiol. 2021 Jan 15:S0002-9149(21)00048-5
https://doi.org/10.1016/j.amjcard.2020.12.090

Desmoplakin Cardiomyopathy, a Fibrotic and Inflammatory Form of Cardiomyopathy Distinct From Typical Dilated or Arrhythmogenic Right Ventricular Cardiomyopathy
Smith, E.D., Lakdawala, N.K., Papoutsidakis, N. et al. in: Circulation. 2020;141(23):1872-1884
https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.119.044934

Arrhythmogenic Right Ventricular Cardiomyopathy: Evaluation of the Current Diagnostic Criteria and Differential Diagnosis
Corrado, D., van Tintelen, P.J., McKenna, W.J. et al. in: Eur Heart J. 2020 Apr 7;41(14):1414-1429
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31637441/

Arrhythmogenic Right Ventricular Cardiomyopathy: Characterization of Left Ventricular Phenotype and Differential Diagnosis With Dilated Cardiomyopathy
Cipriani A., Bauce B., De Lazzari M. et al. in: J Am Heart Assoc. 2020 Mar 3;9(5):e014628
https://doi.org/10.1161/JAHA.119.014628

2019 HRS expert consensus statement on evaluation, risk stratification, and management of arrhythmogenic cardiomyopathy
Towbin J.A., McKenna, W.J., Abrams, D.J. et al. in: Heart Rhythm Volume 16, ISSUE 11, e301-e372, November 01, 2019
https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2019.05.007

Zuletzt revidiert 15.10.2022