Geburt, Babyzeit

Die Geburt und die erste Zeit mit dem Baby

Im Folgenden finden Sie Informationen und zu den Themen
> Geburt
mit Tipps zur Wahl des Geburtsorts incl. Infos zu Hebammen, zum Geburtsmodus und zu sonstigen Aspekten rund um die Geburt
> Die Zeit nach der Geburt
mit Tipps für ein gutes Gelingen der Zeit mit dem Baby, für stillende Mütter, zu kardiologischen Kontrollen nach der Geburt und die Zeit mit (Klein-)Kindern

 

Die Geburt mit ARVC / ACM

Wahl des Geburtsorts

Abhängig von der Symptomatik kann es sinnvoll sein, zur Entbindung in ein Krankenhaus zu gehen, in dem auch eine Kardiologie oder mindestens eine Abteilung für Innere Medizin am selben Standort vorhanden ist. Mutationsträger ohne Symptome können problemlos in einer Klinik ihrer Wahl entbinden, symptomatische ARVC-Patientinnen sind möglicherweise in einer Spezialklinik besser aufgehoben.

In manchen Städten bzw. Krankenhäusern gibt es sogenannte Beleghebammen, die bei der Geburt im Krankenhaus dabei sind und damit die Sicherheit einer Geburt im Krankenhaus mit einer festen Ansprech- und Vertrauensperson, die schon vor der Geburt die medizinische Historie sowie Ängste und Wünsche kennt, vereinen. Hier gilt: bringen Sie frühzeitig in Erfahrung, welche Möglichkeiten es gibt und zu welchem Zeitpunkt man sich bei einer Hebamme melden sollte (ggf. schon zu Beginn der Schwangerschaft).

Für die eigene Entscheidung bezüglich des Geburtsorts ist es gut, in sich hineinzuhören und die Möglichkeit einer persönlichen Anmeldung in einer Klinik oder sogar den Besuch einer Risikosprechstunde zu nutzen, um Optionen zu besprechen, Fragen zu klären und Entscheidungen festzuhalten.

Die meisten Geburtshelfer/-innen kennen sich nicht mit ARVC/ACM aus, was bei Schwangeren das Gefühl hinterlassen kann, dass Sorgen entweder nicht ernstgenommen werden oder aber das Krankheitsbild bzw. die Anlage dazu unangemessen dramatisiert wird. Um dem vorzubeugen, kann es hilfreich sein, vorher mit dem/r Kardiologen/in Ihres Vertrauens (niedergelassen oder an einem ARVC-Zentrum) relevante Punkte und Empfehlungen zu besprechen und in einem Arztbrief zu verschriftlichen, der in der Geburtsklinik vorgelegt wird (z.B.  kurze Information zum Krankheitsbild, Spontangeburt aus kardiologischer Sicht grundsätzlich möglich, regelmäßige Pulskontrolle ratsam, bei kardiologischen Auffälligkeiten schnelles Hinzuziehen eines Kardiologen).


Geburtsmodus (Spontangeburt versus Kaiserschnitt)

Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es nach Studienlage keinen Grund, ARVC-Patientinnen grundsätzlich einen Kaiserschnitt zu empfehlen. Trotzdem kann es sein, dass sich eine werdende Mutter in Absprache mit Kardiologen/-in und Geburtshelfer/-in für einen geplanten Kaiserschnitt entscheidet. Ein Mittelweg könnte sein, eine Spontangeburt anzustreben, aber zu vereinbaren, dass im Fall einer starken körperlichen Belastung (z.B. sehr lang dauernde Geburt) frühzeitig auf einen Kaiserschnitt ausgewichen wird.

Studienlage zum Geburtsmodus
Ein Kaiserschnitt mag auf den ersten Blick schonender fürs Herz sein, bringt aber ein erhöhtes Risiko für die Mutter sowie körperliche Belastungen für die Zeit nach der Geburt mit sich.
In Studien fand sich für stabile ARVC-Patientinnen generell keine erhöhte Kaiserschnittrate, auch traten keine Herzrhythmusstörungen unter der Geburt auf. Die Kaiserschnittraten entsprachen in der Regel denen in der Normalbevölkerung des jeweiligen Landes, nur in Einzelfällen musste ein Kaiserschnitt aus kardialen und nicht aus geburtshelferlichen Gründen gemacht werden.
Bei keiner der Entbindungen in den Studien gab es Komplikationen, die auf ARVC zurückzuführen gewesen wären, sondern nur Komplikationen, die bei jeder Schwangeren vorkommen können. Deswegen wird ein geplanter Kaiserschnitt für ARVC-Patientinnen nicht generell empfohlen.
Nur bei einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz (Herzschwäche) kann ein geplanter Kaiserschnitt sinnvoll und angeraten sein, um große Anstrengungen und Volumenschwankungen beim Pressen zu vermeiden. Bei einer stabilen moderaten Herzschwäche wird eine Epiduralanästhesie für die Spontangeburt empfohlen.

Stimmen unserer Mitglieder zum Geburtsmodus
(aus unserer Umfrage “ARVC und Schwangerschaft”)
Ich wollte mein Kind unbedingt natürlich auf die Welt bringen (kein Kaiserschnitt o.ä.), und die Ärzte hatten Bedenken wegen einer natürlichen Geburt und eventuell auftretenden Komplikationen durch die Krankheit unter der Geburt. Die größte Herausforderung war, die Ärzte davon zu überzeugen, es auf natürlichem Weg versuchen zu dürfen.“
(Mitglied mit leichten Rhythmusstörungen)

„Beim zweiten Kind hatte ich einen geplanten Kaiserschnitt zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin. Ich hatte bereits einen Defi, der zum Kaiserschnitt ausgeschalten wurde. Es gab nur zur Geburtsplanung eine Zusammenarbeit zwischen Gynäkologen und Kardiologen.
(Mitglied mit Rhythmusstörungen und ICD)

„…über einen Kaiserschnitt nachdenken, obwohl eine spontane natürliche Geburt ein unbeschreibliches Erlebnis ist (positive und negative Aspekte).“
(Mitglied, bei der ARVC erst nach der Schwangerschaft diagnostiziert wurde)


Sonstige Aspekte für die Geburt und das Neugeborene

Eine Einleitung der Geburt mit Prostaglandinen wird bei ARVC-Patientinnen nicht empfohlen wegen der Nebenwirkungen des Medikaments.

Während der Wehen ist die Linksseitenlage der Gebärenden am idealsten für die Herzkreislaufverhältnisse. Eine dauerhafte Rückenlage sollte vermieden werden.

Unter der Geburt kann ein dauerhaftes Blutdruck- und EKG-Monitoring unter und nach der Geburt sinnvoll sein, wenn die Patientin bereits vorher bekannte starke Rhythmusstörungen hatte. Insbesondere bei ICD-Trägerinnen wird eine Überwachung mittels EKG unter der Geburt unbedingt empfohlen.

Auch eine Periduralanästhesie (PDA) kann bei einer spontanen Geburt helfen, die Belastung der Gebärenden durch Unterdrückung des Wehenschmerzes zu verringern, da starke Schmerzen als Trigger fungieren können. Von manchen Ärzten wird eine PDA ausdrücklich empfohlen.

Eltern, die planen, später im Verlauf der Kindheit den Nachwuchs auf die in der Familie bekannte Mutation testen zu lassen, können ggf. Nabelschnurblut aufheben lassen und an das Genlabor schicken, in dem die familiäre Mutation diagnostiziert wurde. Aus diesem kann zu einem späteren Zeitpunkt das Blut des Kinds auf die Mutation untersucht werden und erspart diesem eine Blutabnahme. Nehmen Sie aber unbedingt im Vorfeld mit Ihrem Genlabor Kontakt auf, ob diese den Service anbieten und wenn ja, ob dieser kostenlos ist.
Ein genetische Untersuchung des Babys zum Zeitpunkt der Geburt wird normalerweise nicht empfohlen, da die Erkrankung ja selbst bei Anlageträgern in der Regel nicht vor dem 10. Lebensjahr ausbricht.

Erfreulicherweise gibt es bei den Neugeborenen keine erhöhten Risiken gegenüber der Normalbevölkerung. Sie werden gesund geboren und bleiben das auf alle Fälle auch in den ersten Lebensjahren. Eine kardiologische Untersuchung mittels EKG oder Ultraschall ist in den ersten Lebensjahren nicht notwendig.
Neugeborene, deren Mütter Betablocker eingenommen haben, kommen mit einem im Schnitt etwas niedrigeren Geburtsgewicht im Vergleich zu ihren Altersgenossen auf die Welt. Dieses Gewicht holen sie aber ganz schnell in den ersten Wochen nach der Geburt wieder auf – später gibt es keinen Unterschied zu den Kindern, deren Mütter keine Betablocker eingenommen haben. Nach der Geburt sollte man etwa 24 – 48 Stunden lang darauf achten, ob es bei diesen Neugeborenen Hinweise auf einen etwaigen Unterzucker oder einen niedrigen Puls gibt.

Ein Stillen des Neugeborenen ist trotz Medikamenten in der Regel möglich. Lesen Sie dazu auch hier nach. Wenn Sie abstillen möchten, ist das problemlos mit Bromocriptin möglich.

 

Die Zeit nach der Geburt mit dem Baby

Tipps für ein gutes Gelingen der Zeit mit dem Baby

Das Baby ist da – herzlichen Glückwunsch! Wie schön, dass der eigene Körper nun wieder unabhängiger ist und auch Andere für das Baby sorgen können. Dafür können die neue Situation, unterbrochene Nächte, das Stillen und die Fremdbestimmtheit sehr kräftezehrend und damit auch belastend für das Herz sein.

Die Tipps für die Schwangerschaft zu Unterstützung, Hören auf das eigene Gefühl usw. sind in der ersten Zeit mit Baby relevanter denn je. Es kann die Situation ungemein entspannen und das eigene Wohlgefühl fördern, großzügig zu planen (z.B. längerer Urlaub/Elternzeit des Partners nach der Geburt, Unterstützung durch andere Personen) und ambitionierte Projekte (Hausbau, beruflich herausfordernde Phasen des Partners) sowie Einstellungen wie „da müssen wir jetzt einfach mal eine Zeitlang die Zähne zusammenbeißen“ auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.

Konkrete Fragen (für das Paar und ggf. mit weiteren Personen) können sein:
– Wie können wir die Verantwortung für das Baby möglichst auf mehreren Schultern verteilen, so dass Regenerationsphasen und zwischendrin durchgeschlafene Nächte für die Mutter möglich sind (z.B. Kürzertreten des Partners im Beruf, Baby frühzeitig an abgepumpte Milch gewöhnen)?
– Wie können mich andere Menschen entlasten (die eigenen Eltern und Schwiegereltern, Freunde…)?
– Wie kann ich mir ein Netzwerk mit anderen Müttern aufbauen (über Babykurse, Facebookgruppen usw.)?
– Was ist mir in meinem „alten Leben“ wichtig und wie kann ich etwas davon in die neue Familienzeit mitnehmen, damit es mir mental so gut wie möglich geht?

Tipps für stillende Mütter

Stillen und Medikamente
Die meisten Medikamente gehen in die Muttermilch über. Trotzdem kann in den allermeisten Fällen gestillt werden – hier ist eine Beratung auf der Seite von Embryotox hilfreich. Mehr zu Embryotox finden Sie in unserem Artikel zu Medikamenten in der Schwangerschaft.
Gerne können Sie auch auf unsere Medikamentenberatung zurückgreifen unter medikamente@arvc-selbsthilfe.org.
Vom Stillen generell abgeraten wird bei einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium III/IV), damit diese optimal therapiert werden kann und der metabolische Umsatz bei der Mutter nicht so hoch ist.

MRT und Stillen
Gut zu wissen:
Während der Stillzeit ist ein Herz-MRT möglich. Bei Kontrastmittelgabe (sehr oft der Fall bei einem Herz-MRT bei ARVC-/ACM-Patientinnen) darf 24 Stunden danach nicht gestillt werden, d.h. es ist eine entsprechende Vorbereitung nötig. Gewöhnen Sie Ihr Baby ggf. frühzeitig an die Flasche und pumpen Sie vorher genug Milch ab.

Ruhepausen für stillende Mütter
Auch zur eigenen Entlastung und für ein “ruhiges Herz” kann es sinnvoll sein, abgepumpte Milch parat zu haben, damit sich ein Familienangehöriger um das Baby kümmern kann und Sie sich erholen können.


Kardiologische Kontrollen nach der Geburt

Ungefähr 3 Monate nach der Geburt sollte eine kardiologische Kontrolle bei der Mutter erfolgen, bei Beschwerden natürlich auch früher. Ob danach zu dem gewohnten Kontrollrhythmus übergegangen werden kann, besprechen Sie mit Ihrem/r betreuenden Arzt/Ärztin. Dabei sollte auch besprochen werden, wie mit der Medikation weitergemacht wird, falls diese vor oder in der Schwangerschaft umgestellt wurde.

Eine kardiologische Untersuchung des Säuglings ist nicht notwendig. Ab wann Untersuchungen sinnvoll sein können, lesen Sie im Kapitel über Kinder und Jugendliche mit ARVC/ACM.

 

Die Zeit mit (Klein-)Kindern

Ganz grundsätzlich kann es mit Kindern nerven- und ggf. auch gesundheitsschonend sein, im Alltag Puffer einzuplanen und für den Normalfall eine 80%ige Auslastung anzupeilen (also deutlich weniger, als man in einer normalen Situation stemmen könnte). Damit ist es wahrscheinlicher, in „Sondersituationen“, die mit Kindern jedoch regelmäßig auftreten (krankes Kind, schlechte Nächte, Ausfall Kinderbetreuung, Mehrarbeit, Umzug usw.), nicht so weit und so oft über die eigene Belastungsgrenze zu gehen.

 

Quellen zur Geburt mit ARVC / ACM

s.a. Quellen zu Schwangerschaft mit ARVC / ACM