Verlauf und Prognose

Verlauf und Prognose von ARVC / ACM

Lesen Sie im folgenden Abschnitt über
> Allgemeines zu Verlauf und Prognose
> Krankheitsphasen
> Heiße Phasen (“hot phases”)
> Quellengaben zum Thema Verlauf und Prognose)

 

Allgemeines zu Verlauf und Prognose

Eine ARVC-Erkrankung verläuft sehr individuell. Bei einer nachgewiesenen Mutation für ARVC bzw. ACM (> Genetik) muss die Erkrankung nicht unbedingt ausbrechen. Ob Träger einer ARVC-Genveränderung jemals erkranken – und wenn ja, wie schwer – kann nicht vorhergesagt werden. Auch innerhalb von Familien mit der gleichen Genveränderung sind alle Möglichkeiten von völliger Gesundheit, leichter Symptomatik bis hin zu schwerster Erkrankung gegeben, auch Art und Ausprägung der Symptome können völlig unterschiedlich sein.

Auch bei zu Beginn völlig symptomlosen Mutationsträgern kann die Krankheit aber irgendwann im Laufe ihres Lebens ausbrechen. Etwa ein Drittel der Anlageträger erkrankt auch bis ins hohe Alter nicht. Bis zum 30. LJ entwickeln etwa 15 – 20%, bis zum 50. LJ etwa 40 – 50%, bis zum 70. LJ etwa 60% das Krankheitsbild. Nach dem 70. Lebensjahr kommen kaum noch Neu-Erkrankte dazu. Also entwickelt etwa die Hälfte der Anlageträger erst im Alter von über 50 Jahren Symptome. Diese Symptome müssen aber nicht unbedingt schwerwiegend sein, und viele ARVC-Patienten erreichen trotz ihrer Erkrankung ein hohes Alter und sterben nicht selten aus ganz anderen Gründen.
Die gute Nachricht ist: ungefähr ein Drittel der Mutationsträger erkranken gar nicht in ihrem Leben.

Der Erkrankungsgipfel liegt im 20 – 40. Lebensjahr, im Mittel bei 30 Jahren.
Kinder erkranken nur sehr selten vor dem 10. Lebensjahr. Allerdings sind vereinzelte Fälle bei jüngeren Kindern beschrieben.

Trägern einer Mutation wird auch dann, wenn sie momentan symptomlos sind, empfohlen, sich regelmäßig ärztlich untersuchen zu lassen. So kann ein Ausbruch der Krankheit rechtzeitig erkannt und insbesondere das individuelle Risiko für einen plötzlichen Herztod ermittelt werden, um die Entscheidung für eine medikamentöse Therapie oder in einigen Fällen die prophylaktische Implantation eines Defibrillators zu treffen. Diese Entscheidung sollte grundsätzlich von auf ACM / ARVC spezialisierten Ärzten getroffen werden. Lesen Sie mehr dazu und zu Prognosefaktoren im Kapitel zur Risikobewertung.

Die jährliche Mortalität (Sterblichkeit) für alle diagnostizierten und behandelten Patienten liegt bei ca. 1 %.

Es gibt unterschiedliche Krankheitsphasen, die durchlaufen werden können, aber nicht zwingend müssen. Es können einzelne Phasen übersprungen werden, oder die Erkrankung kann in einer der Phasen für immer stagnieren.

 

Krankheitsphasen

1. Phase ohne Veränderungen

– keine Veränderungen am Herzmuskel
Elektrokardiogramm (EKG): normal
Ultraschall (US) = Echokardiographie (Echo) / Magnetresonanztherapie (MRT): normal
Symptome: keine

2. Phase ohne Symptome (asymptomatische/subklinische/”verborgene” Phase)

– leichte strukturelle Veränderungen am Herzmuskel
EKG: normales EKG oder erste leichte Rhythmusstörungen und EKG-Veränderungen
US/MRT: beginnende Veränderungen der rechten Herzkammer
Symptome: (noch) keine
Komplikationen: mögliches Risiko für plötzlichen Herztod, v.a. während starker körperlicher Anstrengung

3. Herzmuskelveränderungen mit ersten Symptomen (symptomatische Phase, elektrische Phase)

– deutliche strukturelle Veränderungen am Herzmuskel
EKG: Rhythmusstörungen, Epsilonwelle, zunehmende VES im Langzeit-EKG
US/MRT: sichtbare Veränderungen am Herzmuskel
Symptome: Herzklopfen, Herzrasen, Benommenheit, Schwindel, Bewusstlosigkeit
Komplikationen: Risiko für plötzlichen Herztod, v.a. während körperlicher Anstrengung

4. Herzmuskelschwäche / Herzinsuffizienz (diffuse, strukturelle, progressive Phase)
Schwächung der rechten Herzkammer (Rechtsherzinsuffizienz)

– Ausdehnung der rechten Herzkammer, Einschränkung der Pumpfunktion
EKG: ausgeprägte Rhythmusstörungen, häufige VES im Langzeit-EKG
US/MRT: dünne, erweiterte rechter Herzkammer
Symptome: zusätzlich geschwollene Knöchel/Beine/Bauch, Wassereinlagerungen

Schwächung der linken Herzkammer (Linksherzinsuffizienz)

– Ausdehnung der linken (und/oder beider) Herzkammern (ähnlich einer dilatativen Kardiomyopathie)
– Pumpfunktion der linken/beider Herzkammern reduziert
Symptome: (zusätzlich) Atemnot, geringe körperliche Belastbarkeit
Komplikationen: drohendes Herzversagen, Herzstillstand

 

Hot Phases (“heiße Phasen”)

Zusätzlich können sogenannte “heiße Phasen” (engl. “hot phases”) auftreten, die durch körperliche Belastung oder durch Entzündungen getriggert werden können. Sie sind gekennzeichnet durch anfallartiges Auftreten von Herzsymptomen und dem Untergang von Herzmuskelzellen. Diese akuten Krankheitsschübe treten nicht bei allen PatientInnen auf.


Symptome

– (herzinfarktähnliche) Brustschmerzen
– Druckgefühl auf der Brust
– Palpitationen (Herzklopfen, bewusste Wahrnehmung des eigenen Herzschlags, subjektive Wahrnehmung des Herzschlags als zu schnell, zu stark, zu unregelmäßig)
– Herzrhythmusstörungen (Herzrasen, Herstolpern)


Diagnose

Labor
– erhöhtes Troponin (hs-cTnT = high sensitivity cardiac Troponin T) als Marker für beschädigte Herzmuskelzellen
– erhöhtes CK und CK-MB (Herzenzyme) als Marker für beschädigte Herzmuskelzellen

12-Kanal-EKG
– typische Veränderungen

Herzkatheteruntersuchung
– unauffällige Koronararterien (Ausschluss eines Herzinfarkts)


Differentialdiagnose

– Myokardinfarkt (Herzinfarkt)
– Myokarditis (Herzmuskelentzündung)


Ursache

Ob eine Herzmuskelentzündung die Ursache für das Ausbrechen einer ACM ist, eine heiße Phase der ACM als Herzmuskelentzündung fehlgedeutet wird oder ob ACM-PatientInnen grundsätzlich ein erhöhtes Risiko haben, an einer Herzmuskelentzündung zu erkranken, ist umstritten und derzeit Gegenstand diverser Studien.
Bei einigen Mutationen treten diese heiße Phasen häufiger auf (z.B. bei Mutationen in DSP).


WICHTIG!

Die Symptome können, wenn die ARVC nicht bekannt ist, als Herzmuskelentzündung (Myokarditis) gedeutet werden und führen manchmal dazu, dass die Diagnose ACM nicht gestellt wird. Deshalb ist es bei jeder Herzmuskelentzündung, bei der kein Virus nachgeiwesen werden kann, eine ausführliche Familienanamnese, eine sorgfältige Suche nach ACM-Diagnoskriterien und ggf. eine genetische Untersuchung sinnvoll.

 

Quellenangaben

‘Hot phase’ clinical presentation in arrhythmogenic cardiomyopathy
Bariani R., Cipriani A., Rizzo S. et al. in: EP Europace, Volume 23, Issue 6, June 2021, Pages 907–917
https://doi.org/10.1093/europace/euaa343

Arrhythmogenic Right Ventricular Cardiomyopathy: Evolving From Unique Clinical Features to a Complex Pathophysiological Concept
Paul, M., Schulze-Bahr, E. in: Herz 45, 243–251 (2020)
https://doi.org/10.1007/s00059-020-04907-1

2019 HRS expert consensus statement on evaluation, risk stratification, and management of arrhythmogenic cardiomyopathy
Towbin J.A., McKenna, W.J., Abrams, D.J. et al. in: Heart Rhythm Volume 16, ISSUE 11, e301-e372, November 01, 2019
https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2019.05.007

Sex hormones affect outcome in arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy/dysplasia: from a stem cell derived cardiomyocyte-based model to clinical biomarkers of disease outcome
Akdis, D., Saguner, A. M., Shah, K. et al. in: European Heart Journal, Volume 38, Issue 19, 14 May 2017, Pages 1498–1508
https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehx011

Die arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie/Kardiomyopathie
Saguner, A., Brunckhorst, C., Duru, F. in: Cardiovascular Medicine 2011; 14 (11): 303-314
https://cardiovascmed.ch/article/doi/cvm.2011.01623

Zuletzt revidiert am 03.04.2022